Die Sinne

Die Sinne eines Pferdes übertreffen die des Menschen um ein Vielfaches. Als Fluchttier benutzt es seine gut ausgebildeten Sinne in erster Linie, um die Umgebung zu überwachen und zu kontrollieren, ob eventuell von irgendwo her oder von irgendetwas eine Gefahr drohen könnte, vor der es weglaufen muß. Dabei setzt es alle seine zur Verfügung stehenden Sinne ein. Zu den Sinnen des Pferdes gehören die Ohren, die Augen, die Nase, die Tasthaare und die Haut. Sie erforschen ihre Umgebung durch Hören, Sehen, Riechen, Schmecken, Spüren und Berühren.
Alle diese Sinne arbeiten zusammen und senden über hochsensible Nervenfasern blitzschnell Signale ans Gehirn, das aus den gesammelten Eindrücken Rückschlüsse zieht. Deuten die empfangenen Signale auf eine drohende Gefahr hin, sendet das Gehirn an den Körper den Befehl zur sofortigen Flucht. Pferde verhalten sich neuen und fremden Geräuschen und Gegenständen oder auch Situationen gegenüber stets vorsichtig und zurückhaltend. Wobei es unter den Pferden auch Exemplare gibt, die mutiger sind als andere. Die einen scheuen bei jeder ungewohnten Situation sofort und wollen wegrennen, während andere das neue und fremde Ding erst einmal genauer inspizieren wollen. Wobei sie dabei aber auch immer sehr vorsichtig zu Werke gehen und immer zur Flucht bereit sind.
Mit Hilfe seiner feinen Sinne versucht das Pferd den Überblick zu behalten und lernt mit der Zeit harmlose von gefährlichen Geräuschen zu unterscheiden. Außerdem sind die Sinne dem Pferd bei der Auswahl von geeignetem Futter, bei der Feststellung des Geschmacks von Nahrungsmitteln und bei der Wahrnehmung von Gerüchen aller Art behilflich.
Mit seinem Panoramablick kann das Pferd alles Wichtige in seiner Umgebung erfassen. Zum Beispiel nach Nahrung suchen und frühzeitig sich anschleichende Feinde erkennen. Zeitgleich beobachtet es seine Artgenossen in der Herde und kann an ihrem Verhalten ablesen, ob es entspannt bleiben darf oder anderweitig reagieren muß. Sehr hilfreich beim Achten auf die Umgebung ist auch sein gut ausgeprägtes Gehör, denn Pferde vernehmen Geräusche viel früher als wir. Als Ergänzung zum Hörsinn nehmen sie über die Nerven der Hufe Schwingungen des Erdbodens war. Das Pferd ist also mit dem ganzen Körper unentwegt auf Empfang, selbst wenn es mit hängender Lippe und angewinkeltem Hinterbein in der Sonne steht und döst.
Ebenfalls von großer Bedeutung auch für das Zusammenleben in der Herde und die Beziehung zu seinem Menschen für das Pferd ist der Geruchssinn. Jedes Lebewesen hat seinen eigenen Geruch und das Pferd kann dazwischen differenzieren und die Gerüche zur Wiedererkennung nutzen. Sein eigener Mensch beispielsweise, riecht ganz anders als die ehrgeizige Reitbeteiligung und die anderen Pferdekollegen auf der Weide haben auch alle ihren ganz eigenen, individuellen Geruch. Wenn Pferde sich kennen lernen, stecken sie zuerst die Nüstern zusammen, beschnüffeln sich gegenseitig und entscheiden dann, ob sie sich leiden können oder nicht. Als Mensch sollte man sich dem Pferd netterweise auch erst einmal vorstellen, indem man sich beschnüffeln lässt, anstatt sich, ohne „Hallo“ zu sagen, sofort auf seinen Rücken zu schwingen. Schließlich will auch das Pferd wissen, mit wem es heute zu tun bekommt.


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Ist ein Duft besonders interessant, fängt das Pferd an zu „flehmen“. Dabei streckt es den Kopf in die Höhe, verdreht verzückt die Augen und stülpt die Innenseite der Oberlippe nach außen. So versucht es den neuen, tollen Duft genauer zu analysieren. Dieses Verhalten kann man oft bei Hengsten beobachten, die eine rossige (paarungsbereite) Stute gewittert haben. Was den Geschmackssinn angeht, gibt es Pferde, die unvoreingenommen alles weg futtern, was man ihnen anbietet und es gibt Pferde, die da etwas wählerischer sind und auch schon mal das ein oder andere gut gemeinte, gesunde Futtermittel liegen lassen und es verächtlich aussortieren. Auch bei Pferden sind die Geschmäcker verschieden. Die einen lieben Leckerchen wie Bananen, Melonenstücke, Weintrauben und dergleichen und andere geben sich mit einem schnöden, trockenen Stück Brot zufrieden. Trotzdem sind die meisten Pferde Leckermäuler, die für ihr Leben gerne naschen. Deswegen funktioniert das mit den Leckerlis als Belohnung bei der Erziehung auch so gut … bis man es irgendwann mal ohne versucht. Da kann es passieren, daß der Pferdefreund eines Tages desillusioniert feststellen muß, daß das Pferd gar nicht seinen Menschen, sondern die Tasche mit den Leckerlis jeden Tag so freudig begrüßt hat!
Am besten setzt man sich mit seinem Pferd ins Benehmen mit gegenseitigem Spüren und Berühren. Pferde schätzen durchaus die Berührungen von Menschen, wenn es denn einer ist, den sie mögen und dem sie vertrauen.
Rund um das Maul und um die Nüstern wachsen Pferden viele Tasthaare, die über Nervenbahnen direkt mit dem Gehirn verbunden sind. Mit diesen Tasthaaren befühlen und ertasten sie vorsichtig neue Dinge oder andere Pferde und Menschen. Die Haare helfen dem Pferd zusätzlich dabei, Abstand von Gegenständen, Artgenossen oder den Händen von Menschen zu halten, die sich unmittelbar vor dem Pferdekopf befinden, denn genau da ist der tote Winkel, in dem Pferde nichts sehen können. Daher muss an Stelle der Augen ein anderer Sinn bei der Kommunikation behilflich sein. In der Herde berühren sich Pferde zur Begrüßung gerne mit der Nase. Wenn sich zwei Pferde besonders gut leiden können, helfen sie sich sogar gegenseitig bei der Fellpflege, indem sie den Kollegen an den Stellen mit den Zähnen beknibbeln, an die er selbst nicht rankommt.
Mit seinem Menschen tauscht das Pferd über die Haut Stimmungen, Spannungen und Gefühle aus. Wobei das Pferd begabter darin ist, Stimmungen zu erkennen und auch wieder zu geben, als so mancher Mensch. Man sagt, daß Pferde „spiegeln“. Damit ist gemeint, daß sie sofort die Stimmung des Menschen mit dem sie es zu tun haben, erkennen und im eigenen Verhalten wiedergeben. Das können sie auch ohne direkten Hautkontakt. Ist der Mensch nervös, wird auch das Pferd zappelig. Das ist besonders unangenehm, wenn man gerade drauf sitzt. Meist macht der Reiter sich gar keine Gedanken um seine mentale Ausgeglichenheit und wenn das Pferd unter ihm plötzlich unruhig wird, wird auch der Reiter wieder ein Stück nervöser und so spielen bald Pferd und Reiter mit ihren Gefühlen Ping-Pong. Da hilft nur durchatmen und die eigenen Gefühle checken, denn den Teufelskreis kann nur der Mensch wieder durchbrechen, sonst bekommt er sein Pferd nicht mehr so schnell beruhigt.
Am besten geht man sein Pferd nur besuchen, wenn man selbst in guter und ausgeglichener Stimmung ist. Man kann vielleicht andere Menschen über seine Gefühle täuschen aber seinem Pferd macht man in dieser Beziehung nichts vor.