Umgang

Beim Thema Umgang mit Pferden scheiden sich die Geister und das manchmal Kilometerweit! Die einen bauen auf alte Traditionen und sind immer noch der Meinung, ein Pferd müsse zuerst gebrochen werden, bevor man mit ihm arbeiten kann, andere ziehen es vor, ihr Pferd erst zu einem Freund zu machen, bevor sie überhaupt in Erwägung ziehen jemals einen Sattel auf ihren Freund zu schnallen.
Es kommt allerdings auch darauf an, wie man sein Pferd zu beschäftigen gedenkt, bzw. was man mit ihm vor hat. Ist es ein teures Sportpferd, ein Zuchthengst, ein Rennpferd, ein Rentner-, Beistell- oder Freizeitpferd?
Ein hochgezüchtetes Sportpferd, das Turniere bestreiten soll, hat einen anderen Tagesablauf als das ausrangierte Trabergürkchen von nebenan, dessen Besitzer keine Ambitionen mehr hat, Ruhm und Ehre zu erringen oder Schleifchen zu sammeln, sondern lieber mit seinem Kumpel gemütliche Ausritte macht, oder sogar einträchtig nebeneinander zu Fuß mit ihm spazieren geht. Aber egal, ob muskelbepacktes Sportpferd oder nicht, auch „normale“ Pferde in der Obhut des Menschen müssen bewegt werden, besonders, wenn sie den Großteil des Tages in einer Box verbringen.
Der Mensch hält sich schon seit Jahrtausenden Pferde zu den unterschiedlichsten Zwecken und lange Zeit war das Pferd ein wichtiger und nicht weg zu denkender Bestandteil des menschlichen Alltags und hatte gefälligst zu funktionieren. Das Pferd wurde gezähmt, erzogen, trainiert und dressiert und kaum jemand hat sich Gedanken gemacht, was das Pferd wohl bei der Ausübung der ihm zugedachten Aufgaben empfinden könnte. Geschweige denn, daß der Mensch überhaupt irgendeinem Lebewesen außer sich selbst Gefühle oder gar Charakter zugestanden hätte.
Erfreulicherweise hat sich die Art und Weise, wie der Mensch mit seinem Pferd umgeht, im Laufe der Zeit gewandelt. Obwohl es immer noch Leute gibt, die beim Thema „Umgang mit dem Pferd“ regelmäßig Sätze fallen lassen wie: „Der veräppelt dich!“, „Du mußt ihm eine Ansage machen!“ oder „Die braucht mal eine Abreibung, damit sie merkt, wer hier der Boß ist!“ Das sind alles Codewörter für: “Dein Pferd benimmt sich mit voller Absicht bösartig und du kannst nur mit Gewalt und Schlägen deinen Willen durchsetzen!“ Vielerorts werden jungen Pferdemenschen leider immer noch solche Verhaltensmuster beigebracht. Aber wer selbst mal nachdenkt und richtig hinsieht, der erkennt sehr schnell, daß diese beherrschende und oft brutale Raubtiermentalität im Umgang mit einem sensiblen Fluchttier nicht richtig sein kann.
Pat Parelli zum Beispiel war einer der Ersten, der im Umgang mit Pferden komplett umgedacht hat. Er hat alles, was er bisher von seinem Vater, der sich bei Pferden immer mit Härte und Strenge durchsetzte, gelernt hatte, über den Haufen geworfen und völlig neue Ansätze im freundlichen und geduldigen Umgang mit Pferden entwickelt. Er hat hingesehen und von seinem Pferd nicht erwartet, daß es seine Sprache versteht, sondern versucht, die Sprache der Pferde zu lernen. Das sollten wir auch tun. Bei jedem Pferd aufs Neue. Für die viele Mühe, Geduld und Zeit, die man in sein Pferd investiert, wird man dafür am Ende fürstlich belohnt mit dem Vertrauen eines wunderschönen, starken und feinfühligen Geschöpfs, daß nicht umsonst in alten Zeiten als Gottheit verehrt wurde. Wer in seinem Pferd einen treuen Freund und Gefährten gefunden hat, darf es tatsächlich sein Eigen nennen: alles Glück dieser Erde!


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